BODELSCHWINGH HAUS

59174 Kamen

Grunddaten

Datierung: 1962

Material: Stein, Holz

Erbauer: Evangelische Kirchengemeinde

Mit dem Bau von Zechensiedlungen in den 1950er-Jahren innerhalb des Werver Bereichs bestand für das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde die Aufgabe, der wachsenden Zahl von Kirchenmitgliedern in ihrer pastoralen und seelsorglichen Begleitung gerecht zu werden. Zunächst wurden der Heerener Pfarrstelle von Pfarrer Weber seit 1956 mehrere Hilfsprediger zugeordnet. Die personell starke Fluktuation innerhalb dieser Stellen erbrachte aber nicht die nötige Entlastung. Also wurde vom Presbyterium der Kirchengemeinde eine zweite Pfarrstelle für den Werver Bezirk beim Landeskirchenamt beantragt. Diese wurde 1959 genehmigt und mit Pfarrer Alfred Keßler als erstem Stelleninhaber besetzt. In diesem Zusammenhang wurde auch beschlossen, im Südfeld 117 ein Pfarrhaus mit angebautem Gemeindesaal zu errichten.

Das Gemeindehaus erhielt den Namen Bodelschwingh-Haus in Anlehnung an Friedrich von Bodelschwingh, der auf „Haus Heide“ in Werve geheiratet hat und als Prediger, Seelsorger und Leiter der Betheler Anstalten große Bedeutung innerhalb der Ev. Kirche hatte. Für die Werver Gemeindemitglieder war die zentrale Anlaufstelle im Südfeld ein Glücksfall, denn die Wege zu „ihrem“ Pfarrer, zum Gottesdienst, zu Gruppentreffen und Veranstaltungen verkürzten sich um ein Vielfaches.

Foto: Polier der Firma Wiggermann (links) und Pfarrer Alfred Keßler (rechts) bei der Grundsteinlegung des Bodelschwingh-Hauses und
des Pfarrhauses im Südfeld. ©K. Wiggermann, Privatarchiv

Das Bodelschwingh-Haus wurde so über Jahrzehnte hinaus zum Zentrum des Werver Gemeindelebens und war meist – bis auf Sonntag – jeden Tag in der Woche mit Veranstaltungen belegt. Auch der Wochenschlussgottesdienst am Samstagabend um 18:00 Uhr war für viele Gemeindemitglieder eine Alternative zum Sonntagsgottesdienst in der Kirche und in der Regel besonders von älteren Menschen gut besucht. 1991 wurde auf Beschluss des Presbyteriums das in die Jahre gekommene Bodelschwingh-Haus umfänglich saniert. Die Toilettenanlagen wurden behindertengerecht umgebaut und eine neue Küche und ein Wintergarten für kleinere Gruppen an den Gemeindesaal angebaut. So entstanden helle freundliche Räume, die im April 1992 ihrer Bestimmung übergeben wurden.

Die angespannte Finanzsituation zwang die Kirchengemeinde jedoch Anfang des 20. Jahrhunderts, ihr Raum- und Gebäudemanagement einer eingehenden Überprüfung zu unterziehen. Nach langen und schwierigen Diskussionen entschied das Presbyterium, zukünftig nur noch das Lutherzentrum, das Jugendheim und das Alte Pfarrhaus für die gesamte Gruppen- und Gemeindearbeit aufrecht zu erhalten.

Für den Werver Bezirk war dieser Beschluss ein drastischer Eingriff in das Gemeindeleben, denn 2005 wurde zunächst das Bonhoeffer-Haus an der Lenningser Straße geschlossen und vermietet. Als Pfarrer-Ehepaar Ritter genehmigt wurde, aus persönlichen Gründen aus dem Pfarrhaus im Südfeld auszuziehen, stand nun der ganze Komplex des Pfarrhauses und des angrenzenden Bodelschwingh-Hauses einschließlich des großen Gartens zur Disposition.

Im September 2007 wurde der Gottesdienstraum im Bodelschwingh-Haus in einem feierlichen Gottesdienst entwidmet und das Gemeindehaus geschlossen. Der Wunsch des Presbyteriums, die Gebäude im Südfeld an eine diakonisch-caritativ arbeitende Einrichtung zu vermieten, ging 2007 in Erfüllung. Das „Kinder- und Jugendwerk am Kurpark“ aus Unna hat sowohl Pfarrhaus als auch Bodelschwingh-Haus angemietet und bietet bis heute alleinerziehenden jungen Müttern mit ihren Kindern Unterstützung und Hilfe an.

Foto: Frontansicht Bodelschwingh-Haus 2024 ©Jutta Maeder

Neben der finanziellen Situation führte auch der Mitgliederschwund innerhalb der Kirchengemeinde dazu, dass nach der Pensionierung von Pfarrer Ritter im Jahr 2016 die zweite Pfarrstelle vom Landeskirchenamt in Bielefeld nur noch vorübergehend für sechs Jahre aufrechterhalten und 2022 endgültig aufgehoben wurde.

Die Pfarrer der 2. Pfarrstelle in Werve waren:

Alfred Keßler           1959 – 1963

Herbert Giese          1964 – 1971

Alfred Supper          1971–1982

Vakanz                      1983–1984

Herbert Ritter         1984–2016

Andreas Taube        2016–2022

Autor: Herbert Ritter

Schon gewusst?

Die Ev. Kirchengemeinde zu Heeren-Werve hatte seit der Errichtung des Bodelschwingh-Hauses wöchentlich zwei Gottesdienste:

  1. Der sogenannte Wochenschlussgottesdienst im Bodelschwingh-Haus, der mit kurzer, knapper Liturgie und zentraler Predigt der evangelisch-reformierten Tradition verpflichtet war.
  2. Der Sonntagsgottesdienst folgte mit der längeren, ausführlicheren Liturgie mit Gesängen und Predigt der evangelisch-lutherischen Tradition.

Diese Eigenheit liegt darin begründet, dass in der ehemals evangelisch-reformierten Gemeinde Heeren Anfang des 19. Jahrhunderts für die Konfirmandenarbeit der „Kleine Katechismus“ von Martin Luther eingeführt worden ist. In diesem Sinne hat die Ev. Kirchengemeinde zu Heeren-Werve in ihrer Gottesdienstgestaltung sowohl die evangelisch-reformierte als auch die evangelisch-lutherische Tradition wachgehalten.

Bildunterschrift und Fotonachweis: Feierliche Grundsteinlegung des Pfarrhauses und des Bodelschwingh-Hauses im Südfeld
von links: Pfarrer Alfred Keßler, 3. von links Pfarrer Heinz-Georg Weber; Foto: K. Wiggermann, Privatarchiv

Mit freundlicher Unterstützung durch den Heimatpreis Kamen 2023 und den Heeren-Werver Bürgerhaushalt 2024.

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Bodelschwingh Haus
Westfälische Straße
Kamen 59174
Deutschland